Malta

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Es scheint so zu sein, dass Malta kultur-historisch und damit auch sprachlich in den Schnittlinien zwischen Christentum und Orient liegt.

Die moderne Kunst orientiert sich nach Europa.

Abb. James Vella Clark, Summer Landscape. Acryl on canvas, 2004

Vortrag von Roswitha Siewert am 8. März 2005 in der Volkshochschule Lübeck

Zwei kleine rote Punkte im Mittelmeer zwischen Italien und Tunesien oder Europa und Afrika markieren Malta – großgeschrieben. Gozo als kleine Vorinsel wird noch benannt. Comino, der Krümel einer Insel dazwischen vervollständigt Malta als eins der zehn neuen Länder der Europäischen Union seit dem 1. Mai 2004. Malta ist die größte Insel mit der Hauptstadt Valetta im Südosten.

Für Homer war Malta der Nabel des Meeres. Meereslandschaften mit Fels an der Westküste von Gozo, recht ein Teil der blauen Grotte , die nur mit dem Boot zu erreichen ist. Steinen, Stein schlechthin, nicht nur majestätisch im Ansehen, auch nicht als möglicher Steinbruch, sondern Gegenstand einer ehrfurchtsvollen Verehrung. Seine Widerstandskraft, sein Trägheit, seine Schönheit,seine Größe und Vielfalt der Konturen,seine Härte,seine Farbe vermitteln etwas Unmenschliches, vielleicht auch et5was Außer- oder besser Übermenschliches. Naturwerke,die nicht nur die Begeisterung der Malta-Urlauber in Gang setzt, sondern Ausgangspunkt oder ideelles Material einer sehr frühen Hochkultur wurde und noch heute die maltesischen Künstler animiert.

„Die ganze Insel sieht wie eine ungeheure Befestigung aus. Solch aufgetürmte Massen“ schrieb Samuel Taylor Coleridge, ein englischer Schriftsteller, als er im Jahre 1803 vom Schiff aus sich der Insel und der maltesischen Hauptstadt näherte. Valletta: Ihre umwerfende gebaute Schönheit macht sie noch heute zu einer der beliebtesten Reiseziele, nicht nur für Sprachreisen.
Valletta, als Weltkulturerbe unschwer zu erkennen, liegt mit seinen Palästen und Kirchen von einer massiven Ringmauer und Bastionen umschlossen auf einem 60 Meter hohen Felsen. Golden schimmern die in parallelen Straßenzügen angeordneten Sandsteinhäuser. Das wehrhafte Valetta, Mitte des 16. Jahrhunderts gegründet und seit der Öffnung des Suezkanals einer der bedeutendsten Flottenstützpunkte des britischen Imperiums. Blau und Grün das umgebene Meer mit den farbenfrohen Fischerbooten in allen frischen Farben kräftig und klar angemalt. Sie sind im Naturhafen geankert oder angebunden.

Links der Aussichtsturm Vedette. Auge und Ohr, Sehen und Hören, jeden Ankömmling in den Blick nehmen und ihm aufmerksam zuhören, wachen über Stadt und Meer. „Verfluchter Felsen“ nannte Sultan Suleiman der Prächtige 1565 die Mittelmeerinsel. An ihr scheiterte jede weitere Ausbreitung des Islam. Mit dem Mut der Verzweiflung hatten die Ritter des 1530 nach Malta verlegten Ordens des heiligen Johannes allen Angriffen einer fünffachen Übermacht stand gehalten.

Etwas Geschichte, dazu ein Kampfgetümmel, ein Fresko aus dem großen Rathaussaal und rechts ein Großmeister von Caravaggio gemalt: Karl V. hatte dem Orden die Maltesischen Inseln als Lehen übergeben. Seitdem nannten sich die Johanniter Malteser. Malta wird zum Schild Europas gegen die Türken und gegen das Piratenunwesen im Mittelmeer. Der während des ersten Kreuzzugs durch Gottfried von Bouillon gegründete Johanniterorden war als einziger der vielen Kreuzfahrerorden zur Verteidigung des heiligen Grabes übriggeblieben und hatte im 14. Jahrhundert die Aufgabe übernommen die Küsten zu schützen. Die innere Struktur des Ordens blieb über Jahrhunderte unverändert: an der Spitze der Gemeinschaft stand der auf Lebenszeit gewählte Großmeister, der von einem Generalkapital unterstützt wurde, indem Gesandte aus den Ordensbezirken aller (acht) Heimatländer vertreten waren. Die Ritter waren ledig und adlig, mussten Gehorsam, Armut und Keuschheit geloben und ihre Bereitschaft erklären, den Glauben mit der Waffe zu verteidigen. Hier nun der Großmeister de Wignacourt. Der Page trägt den weiß rot befederten Helm für ihn, das schwarze Hosengewand den Malteserorden.
Das Bildnis des Großmeisters Alof de Wignacourt in der Rüstung mit seinem Pagen, um 1608 (Paris, Louvre). Die Großmeister umgaben sich mit höfischer Pracht und Pagen. Gemalt – eben – von Caravaggio, der augenblicklich durch seine Ausstellung der späten Werke Furore macht. Als „Punk des Barock“ bezeichnet wird er uns heute noch beschäftigen. Als Caravaggio 1607 nach Malta kommt, ist die Insel seit mehr als siebzig Jahren Herrschaftsgebiet der Johanniter.

Romantisch verklärt wirken die kriegerischen Aggressionen heute, wo der Schwerpunkt der Johanniter sich in den sozialen Bereich verlagert hat. Denken Sie an unsere Johanniter-Unfall-Hilfe, die auf ihren Autos das roter Kreuz trägt oder an den mit speziellen Kräutern versehenen Malteser, ein Aquavit, der auch unter diesem Stern wirbt.

Der Malteserstern und die rotweiße Flagge tauchen dekorativ wehend oder das Fensteroberlicht markierende, als Hälfte, auf. Die typischen Balkone Maltas, ob nun zieseliert, weiß verspielt oder aus Holz mit Ausblick auf die Stadt, ein Erbe aus arabischer Zeit, die Balkone. Natürlich saßen Frauen dort, abgeschirmt und isoliert. Aber sie nahmen Anteil am Außen! Sterne, die eben auch die T-Shirts in ganz normaler Sternform als dunkles Single- oder in roter Doppelreihung schmücken. Vier Bilder, eines malenden Chronisten des Malteser Alltags Kenneth Zammit Tabona, bunt, licht und einführend in das familiäre und überregionale buchstabierte britisch „sophisticated“ – weltmännische übergreifende. Menschen, Landschaft, Blicke in Innenräume und nach Außen vermitteln Malta-künstlerische Gefiltertes, hier mit dem Lieblingstier Katze im Innenraum und, rechts hält der Knabe einen kleinen Vogel auf den Zeigefinger der linken Hand.
Die heutige Originalflagge mit Georgskreuz auf dem Rednerpult vor mir: Weiß steht für Reinheit, Rot für die bewegte Geschichte der Insel, im Oberdeck das Georgskreuz. Offiziell gehisst 1964. Die ursprüngliche Flagge Maltas soll auf den Normannengrafen Roger zurückgehen, der die Insel 1090 den Moslems entriss. Das Georgskreuz wurde der Insel im 2. Weltkrieg für tapferen Widerstand verliehen.

Ein anderer – eigenwilliger – Akzent Maltas, ein sehr gewichtiger: DER WEG ZUR EU: Der Weg zur EU war aufregend, auch wenn die kleine Figur den Einsatz zu verschlafen scheint. Diese Schlafende ist von Joe Xuereb, einem maltesischen Künstler zwischen neolithischer Inspiration und moderner Idenfikation . . . . Aber zunächst der chronologisch- geschichtliche Ablauf zur EU. Nur 53,6 % der Malteser stimmten für den EU-Beitritt, das war das knappste aller Resultate der neuen Mitgliedsländer. Allerdings ist auch die Wahlbeteiligung von 91 Prozent unübertroffen.

Malta ist das reichste der neuen EU-Länder. Arbeitslosigkeit bei 5,7 %, Wachstumsrate 1,5 %, 400.000 Einwohner leben auf 316 km Fläche (kleiner als der Bodensee). Mit der Erde (Mutterboden) gab es gleich zu Anfang (1530 als die Johanniter die Insel für sich als Eiland bekamen): die Kreuzfahrer mussten fruchtbaren Boden vom Festland holen, um Erde zum Leben zu haben.

Spannend der Ablauf zur Eingliederung:1990 hatte die konservative Regierung Maltas die Mitgliedschaft in der EU beantragt. Nach dem Wahlsieg der Arbeiterpartei 1996 zog Premier Alfred Sant den EU-Beitrittsantrag wieder zurück. Offiziell wurde es damit begründet, Malta sei noch nicht reif für die EU, inoffiziell wurde vermutet, dass die Malteser sich nicht mehr unterordnen wollten, auch wenn diese Vormacht Brüssel hieß. Als die Nationalistische Partei zwei Jahre später wieder regierte, wurde neun Tage nach der Wahl (1998 am 14. Sept.) das Beitrittsgesuch erneuert. Nun sind sie in der EU. Das kleinste der EU, aber mit großer Bedeutung: touristisch, sprachlich, kulturell, geschichtlich, kunstgeschichtlich.

Malta gehörte einst zu Europa, so ist zu vermuten. Einst heißt vor vielen tausend Jahren (3000–2500 v. Chr.) könnte so eine Europäerin ausgesehen haben. Mann oder besser Frau bzw. Göttin oder Prophetin: sie stand auf sehr feinen Füssen und balancierte ihre Körpermassen im modischen Glockenrock am unteren Rand in plissierte Falten gelegt, gewichtig durch die Tempelanlage. In Tarxien entdeckte man die Magna-Mater Statue. (Original ist heute im Museum, hier Nachbildung für die Besucher). Es ist der untere Teil einer fast 3 m hohen Göttinnen-Statue. Niemand weiß, wo die restlichen Teile der wohl ältesten Kolossalstatue Maltas geblieben sind.

Ihr Kopf jedenfalls konnte wie bei allen größeren Statuen, wahrscheinlich lose gegen andere Köpfe ausgetauscht werden. Sie wurden gesondert eingesetzt und blieben beweglich. Links eine fast 50 cm hohe Kalksteinfigur aus Hagar Qim, rechts ein Terrakottakopf, um sich ein Bild der ganzen Figur zu machen.

Das ist die Venus von Malta 12,7 cm hoch in Vorder- und Rückansicht (Terrakotta): eine kleine Kultfigur in weiblicher Üppigkeit, vielleicht als Grabbeigabe oder Votivgabe für die Göttin. Ein meisterhaft modellierter Torso. Ein archäologischer Fund von 2500 v. Chr., Stonehenge / England um 2300 v. Chr., der älteste Bau auf Malta um 3600 Gganzija, Knossos / Kreta um 2000 v. Chr., Akropolis / Athen 600 v. Chr.)

Heutig: Schlank, in fein modellierter Ornamentik, baucht oder kugelt es auch, statt Busen werden die Rippen gelüftet. Eine offene Flächenform. Es hat Löcher, Ritzen, Vergitterungen, Öffnungen, näher den astralleibigen Figuren eines Giacometti als einer Barockfigur: zwei „Mutterfiguren“ so ihre Titel (2001?) von Gabriel Caruana. Abstrakte Kopfformen, Metamorphosen zwischen Geometrie, Mensch, Tier und Pflanze. Nur Gewand auf feinen, kleinen Füssen.
(Noch nicht werten, geschweige denn abwerten. Warten wir es ab.)

Wieder alte Steine als Magna Mater – große Mutter, auch Terra-Mater-Erdmutter genannt. Die Frage, ob alle diese Statuen als verschiedene Aspekte einer einzigen Gottheit zu verstehen sind oder ob sie mehrere überirdische Wesenheiten verkörpern, ist offen. Doch spricht vieles für immer dieselbe kosmische Macht: die Urmutter als Spenderin allen Lebens und als Herrin der Ober-und Unterwelt. Mater Magna ist die ewig Gebärende, deren ungeheurer Schoß die ganz Welt symbolisiert. Tiefe Ruhe geht von den erdhaft schweren Sitzenden aus, die an Buddhabildnisse erinnern.

„Die Zweiheit homo – humus darf nicht so verstanden werden, dass der Mensch Erde sei, weil er sterblich ist, sondern in einem anderen Sinn und das lehrt uns diese alte maltesische Hochkultur: der Mensch kann leben, weil er aus Erde kommt, weil er von der Terra Mater geboren ist und zu ihr zurückkehrt.“ ( Mircea Eliade).

Rechts noch einmal eine Sitzende Kultfigur der Muttergottheit: eine als Sitzende, als Thronende. Sie wirkt wie aus großen und kleinen Steinen zusammengesetzt. Der harte Stein wirkt in der ballonmäßigen Aufgeblähtheit wie ein dickgepolsterter weicher Sessel.
Links nun aufgemerkt: eine moderne künstlerische Verarbeitung von Francis Norbert Attard: Die Formen und Ausmaße sind fast identisch. Nur brechen Schriftzeichen und Einritzungen, Muster die Oberfläche auf. Es könnte auch ein Riesenschlange raffiniert zum Sessel gelegt sein. Schlangen sind die Tiere der Erdgöttin, deren periodische Häutungen als Symbol ewiger Wiedergeburt gelten.
Neben soviel Weiblichkeits-Verehrung wurde auch die männlichen Fruchtbarkeit nicht vergessen. Es gab vereinzelt Phallussäulen, die diesen Aspekt der Fruchtbarkeit feierten.

Aber weiter im heutigen Kontext:
Auf den modernen nostalgischen Sessel im Biedermeier-stoff mit Kerzenwachs voll umtropft kommt oder reduziert sich die Sitzende bzw. Trohnende von Pierre Portelli. Spill heißt die aufgesockelte Arbeit in einem weißgetünchten Raum (to spill heißt vergießen, kleckern, ergießen). „spill blood“ – Blut vergießen. „Spill the beans“ heißt das Geheimnis verraten, mehr familiär. Und „there is no use crying over spilt milk“ es hat keinen Sinn, Vergangenem nachzuweinen. Einem Matriarchat etwa? Für Pirelli aber ist ein Bibelzitat wesentlich: Genesis 38,8-10. das mit Bordell-Aspekt gepaart wird: Mehr Sex und Religion ist die Devise. In Kapitel 38 geht es um Judas Sünde. Ich lese das Zitat aus Moses 1.: „Da sprach Juda zu Onan: gehe zu deines Bruders Weib, und nimm sie zur Ehe, dass du deines Bruders Samen erweckst. Aber da Onan wusste dass der Same nicht sein eigen sein sollte, wenn er einging zu seines Bruders Weib, ließ er’s auf die Erde fallen, und verderbte es, auf dass er seinem Bruder nicht Samen gäbe. Das gefiel dem Herrn nicht, und der Herr tötete ihn.“ Der maltesische Kunstkatalog endet mit der Frage: „Aber, ist Gott wirklich so grausam?“ Nach diesem Beispiel eines künstlerischen Patriarchats im Sinne von Beischlaf nun . . .

. . . zum Schlaf, zum Tempelschlaf der großen Mütter zurück. Malta nicht heute, sondern Jungsteinzeit. Zwei „schlafende Damen“ ,so die Benennung der Statuetten, aus Hal Saflieni, vermutlich Seherinnen im seherischen Schlaf. Wieder überraschen formal die kleinen Hände und Füße, der zierliche Kopf und dann die großen Hüften, die wie gewaltige Gebirge lagern, die Oberarme antworten in reduzierterer Masse, gelagert wird auf einer ovalen Schale oder Lagerstätte.

Schlaf, Liegende, Rock: Joe Xuarek ist in Ghajnsielem auf Gozo 1954 geboren. Zunächst hat er Archäologisch gearbeitet und begann dann sich von den neolithischen Figuren inspirieren zu lassen und seine eigenen Formen zu finden. Diese kleine schlafende Muttergottheit von heute hat ihren Platz in einem Lübecker Haus.

Das Motiv der Erdmutter erscheint als Leitmotiv in fast allen seine Skulpturen. Es vermischt sich mit christlichen Motiven und allgemein existentiellen Erwartungen. Weich geschwungene Formen aus sanftem Kalkstein: rechts Mater dolorosa (H.48 cm), links Atense awaiting (H.47). Gozo kann sich auch rühmen die Insel der Calypso zu sein. Sie war es, die Odysseus sieben Jahre lang – in alles umschließender Weiblichkeit – dort bleiben ließ.

Wie sehen die Räume aus in denen die Priesterinnen schlafen und wo sind sie? Wie kommt man hin? Eingänge! Etwa fünfeinhalbtausend Jahre alt sind die beiden Tempelanlagen Hagar Qim(links die Tempelaußenmauern) und Mnajdra rechts der monumentale Eingang zum Allerheiligsten mit Lochverzierungen. Löcher nicht nur als bloße ryt5hmische Verzierung , sondern um diesen Ort als Bedeutenden zu kennzeichnen.
Maltas Tempel und prähistorische Anlagen,- unter ihnen die ältesten freistehenden Monumente der Welt. Um 3600 v. Chr. wird der älteste Tempel datiert. 5ooo v. Chr. wird die erste Besiedlung angenommen, das lassen Europas kleinstes Land ( 315,6 km ) groß als Hochkultur erscheinen, die Geschichte ist nicht weniger abwechselungsreich und bedeutend, Kultur und Kunst sind vermittelnd, aber bezeugen auch die Größe, Großherzigkeit und das faszinierende Erschrecken von Geschichte oder Schicksal. Das kleine Malta hat Kraft in sich.

Ein anderer Tempel Hal Saflieni, links die Liegende im Tempelschlaf, rechts die Haupthalle zum Hypogäum. Diese Figur wurde hier gefunden. Sie wird heute „kleine Träumende“, auch „ Schlafende Dame“ be- und genannt, sie, die ruhende auf dem Mondboot im dunklen Meer des Unendlichen.

Ein Element das nicht nur Dekoration ist , ist die Spirale. Rechts die Heilige Spirale, Links auf Stein: Doppelspiralen und ein Kreis in der Mitte / (aus Traxien).Die vormythische Zeit liegt im Dunkel. Es gibt kein Erzählen. Geblieben sind nur die Zeichen in Stein: die Kreise, Spiralen, Lochkerbungen, die runden Gestalten. Sie sind die Verschlüsselten Mitteilungen einer Welt der damaligen Erscheinungen, die um. Verglichen werden diese Lochstrukturen mit Bienenwaben, die Spiralen als Tanz der Bienen um eine unsichtbare Mitte. Sie wird zum Zeichen einer Struktur des Ursprungs. Doppelspiralen werden auch als Augen empfunden,das wacehnde Auge der Magna Mater ..auch… Sie hält fest und bannt. Die Spirale dreht sich um einen Mitte, strebt von ihr weg in immer weiter werdenden Kreisen. Ein Wachsen, Sich –ausdehnen, ohne die Gestalt zu verlieren. Die einrollende Linie kommt von weit her, sie sucht das Zentrum. In immer enger werdenden Kreisen umrundet sie die Mitte, sie ist auf sie ausgerichtet. Es ist ein rhythmischer Tanz um die Mitte. Aus ihr heraus, in sie hinein läuft der Lebensfaden.

Löcher: links ein Opferloch im Tempel von Traxien; rechts ein Rundloch zum Anbinden von Opfertieren. Löcher, auch heute, bei Gabriel Caruna: links:der verwundete Künstler (wounded artist) und rechts wie Perlen mit Loch zum Aufziehen: Luftblasen der Geburt. (bubbles of birth). Opfer, Wunden, Atmen, Leben: maltesische Keramik bindet Grunderfahrung.
Links Blutbad des Krieges (links)und (rechts) ein Neolithischer Eingang (Neolith doorway.)

Hier ein kurze Denkpause im Interieur eines Maltesischen Hauses mit Tee in Tassen aus englischen Silber oder Mocca-Tässchen aus französischem Porzellan, zwei Arbeiten von Tabona. Frankreich:Selbst Napoleon 1798 auf den Weg nach Ägypten hat auf Malta Stippvisite gemacht. Der damalige Großmeister Ferdinand von Hompesch übergab im kampflos die Insel. Napoleon schaffte Adelsprivilegien und Sklaverei ab.
Geheimnisvoll in allem zeigt sich die Insel immer wieder , schafft nicht für möglich Gehaltenes und lebt am Minimum Leben entlang: nahe der unsichtbaren Grenze, die von der Südspitze Siziliens bis zur nord- afrikanischen Küste das östliche vom westlichen Mittelmeerbecken trennt, stiegen zwei nackte goldfarbene Inseln aus der funkelnden Weite des Meeres auf: Malta als ein langgestreckter ovaler Steinaltar und Gozo, eine steilaufragende Felskrone. Es ist nicht eindeutig geklärt, ob sie vor über fünftausend Jahren ein Bindeglied zwischen den beiden großen Lebensräumen darstellten, die für die Entwicklung der europäischen Zivilisation entscheidend wurden, oder war es eine hermetisch geheimnisschwere Welt, die ganz im Bann eines religiösen Erlebens stand, das tief in einer frühen Bewusstseinsschicht der Menschheit wurzelte. Gewiß ist nur, dass diese Insel aus Korallenkalk, zu dem auch drei größere Felsenriffe gehören, im vierten und dritten Jahrtausend v. Chr. Schauplatz einer unvergleichlichen Sakralkultur wurde. Ihre Hinterlassenschaft sind heute die großartigen Ruinen der ältesten steinernen Tempel der Welt, deren Architektur ohne Vorbilder war und ohne Nachfolge blieb. Bautechnisch und künstlerisch sind die Kultstätten Zeugnisse einer hoch entwickelten Kultur, die etwa um das Jahr 2500 v. Chr. plötzlich ein abruptes Ende fand – warum, konnte bis heute nicht mit Sicherheit geklärt werden.
Fragen über Fragen, ähnlich wie beim Herumrätseln um das Verschwinden der Dinosaurier, der märchenhaften Drachen: Warum gab es so viele Tempel, obwohl nicht mehr als 11.000 Menschen hier lebten – lagen die Inseln auf einer Art mediterraner Pilgerroute. Warum verschwand die Kultur so plötzlich – gab es religiöse Umwälzungen? Vernachlässigten die Bewohner wegen Überbeanspruchung mit Tempelbauten ihre übrigen, ihre weltlichen Angelegenheiten? Waren Kriege, Trockenheit, Seuchen oder andere Katastrophen die Folge? Gab es Massenselbstmorde oder gar Flutwellen? Man hat keine Spuren von Kampfhandlungen gefunden; könnten Piraten die gesamte Bevölkerung entführt haben (wie 1551 auf Gozo geschehen)? Kam es zu Missernten auf Grund von Klimaveränderungen, die die Bevölkerung zum Verlassen der Insel zwangen? Nachdenklich mit wissendem Schweigen, die Ladies und Madames zur Teetime in Malta?

Weiter: Als Festung des Katholizismus wird Malta bezeichnet. 98% die Bevölkerung (400.000) sind katholisch. Wohl mehr als ein Lippenbekenntnis. Links Karwoche in Mosta. In der Karwoche wird eine Christusfigur in der Rotunda zur Schau gestellt. Im goldenen Sargprunk liegt die Christusfigur aufgebahrt. Rechts der Osterumzug: Der segnende Auferstandene.

In die St. John’s Co Cathedral in Valetta kommen, neben den ausländischen Besuchern viele Malteser zum Gebet oder zur stillen Andacht. Aber die Besucher, Kulturtouristen drängt es Carvaggios größtes auf 16o8 datierte, in Malta gemalte Gemälde, zu sehen. Die Enthauptung Johannes des Täufers. Es wurde für das Oratorium der Johanniter in der Kathedrale San Giovanni in Valetta im Auftrag des Großmeisters de Wignacourt angefertigt.Links und rechts sind zwei Malteserkreuze zu erkennen. Das Bild ist 361 cm hoch und 520cm breit, es ist von der Dimension her das größte Gemälde was er je schuf. Zum Bild aus der Ferne: Eine handelnde Gruppe nimmt die linke Bildhälfte ein, rechts im Bild Zuschauer , von einem Fenster aus, die Szene beobachtend. Im Raum die Zuschauer: unterschiedliches Interesse!

Sehen wir uns das Bild beschreibend an: Schwach erleuchtet erscheint knapp hinter einem Fries aus lebensgroßen Figuren links ein mächtig vergittertes Tor, dessen Bogen oben angeschnitten ist. Rechts dagegen ist die Wand durch ebenfalls vergittertes Fenster durchbrochen. Zwei Gefangene blicken dem Geschehen zu. Ein Gefängnis offensichtlich. Mit hochgekrempelten Ärmeln hält Salome, als einfaches Mädchen dargestellt eine Schale. Sie ist keine laszive Tänzerin. Sie beugt sich vor um auf einer großen goldfarbenen Schüssel den Kopf des Johannes entgegenzunehmen. Neben ihr führt ihrer Magd im stummen Entsetzen beide Hände zum Kopf, während sie auf das blanke Richtschwert am Boden blickt.
Es zeigt einem Mann, der die Enthauptung angeordnet hat. Schlüsselbund am Gürtel, die dandyhafte (besser klassisch – antikisch) Standbein-Spielbein-Situation, in Leggings, kontrastiert mit dem Gestrengen zeigen der Handbewegung, dahin muss der Kopf. Mächtig, sehr viel größer wirkend als die drei anderen, beugt sich der Henker halbnackt über den Leichnam des Täufers. Während er mit der Linken nach den Haaren des Opfers fasst, greift er mit der Rechten zu einem kurzen Dolch im Gürtel, als müsse er noch nachhelfen, um den Kopf vom Körper zu trennen.

Der bereits enthauptete Johannes liegt in seinem Blut, das in schrägen Strahlen nach rechts spritzt. Mit dem Blut hat Caravaggio auf den Boden signiert. Da er mit F (für Fra) Michel A. signiert hat und Caravaggio im Juli 1608 Ritter des Ordens wurde, ist das Bild vermutlich für den Todestag des Heiligen, dem 29. August fertiggestellt worden. War die Johannespredigt, als Volksauflauf verstanden, der an verschwiegenen Orten, im Wald zusammenfindet, ein Thema des protestantischen Nordens, so scheint die Enthauptung des Heiligen die Antwort des katholischen Südens gewesen zu sein.

Der Auftraggeber, wir kennen ihn schon ist kein anderer als der Großmeister Alof de Wignacourt. Rechts als Adliger, links als Malteserritter dargestellt.

Hier in Halbporträt mit den seidenem Kreuz, nicht nur virtuos das Symbol, auch die Physiognomie des alternden Mannes. Rechts Malteserritter1998 bei der Jubiläumsfeier des Ordens mit der größten Versammlung von Or5densmitgliedren der Neuzeit. Auch Frauen sind dabei und tragen das Ritterkreuz.

Prägen Sie sich das linke Gesicht ein. Das ist das Gesicht des Großmeisters, das Caravaggio für seinen heiligen Hieronymus wieder aufnahm, nun noch etwas älter, knittriger und durch weiße Strähnen in Bart und Haare sichtlich alternd. Das Bild hängt auch in Valetta im St. Johns Museum. Vom Kardinalshut wendet sich Hieronymus ab und schreibt in ein kleines Buch, die Linke umgreift ein Tintenfass. Dabei richtet sich sein Gesicht (Antlitz), nicht sein Blick, auf einen Totenkopf, der an einem Kieselstein lehnt, mit dem sich der Heilige in der Buße die Brust aufschlägt. Eine nicht angezündete Kerze steht am rechten Rand. Ein kleines Kruzifix ragt unterhalb des Totenschädels weit über die Tischkante. Rechts folgt noch ein Wappen mit dem Malteserkreuz, das müssen sie mir jetzt glauben. Caravaggio konnte nicht nur den Akt eines alten Körpers überzeugend malen, sondern liebte es auch jugendliche Körper zu malen.

Zwei Johannes Darstellungen: links von 1598 Rom, Museo Capitolini. Rechts Toledo Kathedrale. Carravagio der empfindsame Haudegen oder aktuell al Punk des Barocks bezeichnet, läuft in Malta, seiner Spät- und Endphase noch einmal zu großen Werken auf.

Stichwort-Malta und Paulus: In die Zeit der Römer , fällt der Schiffbruch des Apostels Paulus vor der Insel Malta. Er wird gerettet, tut Wunder und predigt das Christentum und lebte in einer Grotte. Links nun die Paulus Katakomben in Valetta. Rechts: „Die Bekehrung des heiligen Paulus“. „Warum“ wollte der Prälat von Santa Maria aufgebracht vom Maler wissen „hast du das Pferd in die Mitte und den Heiligen Paulus auf die Erde platziert? „Darum“ versetzt Caravaggio. „Soll dieses Pferd Gott sein“, fragte der Prälat weiter. „ Nein, aber es steht im Lichte Gottes“.

Warum ist Caravaggio augenblicklich so en vogue. Er trifft den Punkt zwischen Gewalt, Sexualität und Religiosität. Ein Selbstbildnis gibt es von ihm, aber wie sieht er sich? Ein Bibelthema David und Goliath wird Ausgangspunkt. Er stellt sich als Goliath dar, der Riese an Körperkraft und Genie der Malerei als Opfer… Der Künstler als sich Opfernder (fast O-Ton von Elfriede Jelinik für Österreich), zur Selbstaufgabe ist Caravaggio bereit (aber auch auf Grund seines Temperaments), der sich dem Willen der herrschenden Masse n i c h t, a b e r seiner emotionalen Veranlagung entsprechend fügt, und nur im Geist widersteht er und in dieser Spiritualität findet er seine Identität wie das Vorbild der Johanniter Johannes in seiner Enthauptung. Caravaggio ein begnadeter Unruhestifter, ein empfindsamer Haudegen, ein Punk des Barock. Auf Kritiker seiner Kunst geht er mit den Degen los. Schlägereien sind Tagesordnung, ein Mord passiert. Er flieht, einst bei Rom geboren nach Malta, wird Ritter und anerkannter Maler. Wird wieder eingesperrt, flieht, prügelt sich erneut und wird schwer verletzt. Geschwächt von einem Überfall stirbt er mit 38.

Die Opferung Isaaks, das Messer in der Hand des Vaters Abraham, die Hand des Engels ergreift die ausführende Hand und stoppt, das Opferlamm steht bereit. Wie können heutige maltesische Künstler diesem Themen aufnehmen und dem Maler entgegentreten? Ein Beispiel: Diese Arbeit hat den Titel „ Caravaggio“, sie ist von Norbert Francis Attard. Eine große Schublade auf Rollen beinhaltet 20 Messer unterschiedlicher Sorten, die auf roten Kissen – wie im Besteckkasten -, liegen. Über diesem Kasten sind in einer achter Reihe Schwerter gezeichnet, die im Griff den Buchstaben C für Caravaggio haben. Dem System der Serie mit Ironie begegnet. Das Messer als Gebrauchsobjekt und Kunstelement. Die Messer sind dekorativ abgelegt auf Kissen mit roter Farbe.

Denkpause: Welche Chance haben maltesische Künstler dieser künstlerischen Wucht und kolossalen Einfachheit des Matriarchats aus dem Neolitikum und dieser umwerfenden Malerei aus Psychologie, Physiologie und Können in Farben, neuen Kompositionen und Perspektiven, hinzu noch treffend die adäquate Darstellung und Würde der Armen, Alten eines Caravaggio eine neue Form entgegenzustellen.

Sie schaffen es aus einer erfrischenden Geste heraus. Sie erinnern sich am Anfang hatten wir zwei rote Punkte ,die das Inselland Malta markierten. Rot ist die Farbe von Norbert Francis Attard: „Ich sehe überall rot“ hat er sein 2002 erschienenes Buch überschrieben. Die Arbeit rechts heißt genauso: „Ich sehe überall rot“. Um zwei im Grundriss quadratische Pfeiler, die in einem Abstand stehen werden rote Stoffbahnen relativ faltenfrei gelegt. In der Mitte werden die Stopfbahnen zusammen genommen und dort ein Baum mit drei Zweigkronen eingepflochten. Er schwebt. Wir stehen im Grunde vor dem zweiten Pfeiler und blicken in die Mitte. Wir sind ein einem roten Raum mit einem Sog in die Tiefe. Der Strom belebt die verdorrte Natur. Die Farbe Rot ist ein Rätsel, das vieles umfasst., vom Sonnenaufgang bis zur rosigen Farbe unseres Innern. Sie steht für Martyrium und Mitleid, für Hölle, Liebe, Blut, Jugend, Inbrunst und Prahlerei, für Sünde und Buße, Kraft und Belebung, Dynamik und Gewalt.

„Der Löwe brüllt in die zornig machende Wüste hinein,
rötet den Sand mit seinem roten Gebrüll,
Zwingt die Rote Leere, ihn zur Kenntnis zunehmen….“
Wallace Stevens

Links ein umgarntes Haus: „Magnet“ von 2003. Rote Seile sind auf der Wandfläche horizontal wie Kraftfelder parallel gelegt. Die Seiten bringen einen Körperraum aus Quadraten ,die in den Ecken verknotet sind und von hier aus die Fäden zu den Längstseiten abgehen lassen, zum Schwingen. Durchsichtig und filigran wird das Haus umsponnen oder mit feine Blutbahnen belebt sich der feste Backstein. Eine alternative Verpackung zu Christos Unternehmungen. Seemanssgarn oder der Faden der Ariadne systematisiert und neu geordnet.

Attard ist Architekt, Designer und Installationskünstler. Rot und Grün vereint, verbunden und verknotet, aber auch den Eingang in den dorischen Tempel verwehrend. Die Installation heißt „Beyond Conflicts“ (Jenseits von Konflikten – 2002)
Sein System wird hier einsichtbar. Rechts „One Extrem to another“. Zwei Bäume werden im Außenraum verbunden umwickelt. Diesmal mit bemalten Zeichen wie die Sonne und Buchstaben wie das Wort War (Krieg).Die Mitte ist wieder betont und gerafft. Ein roter Stuhl steht darunter im Rasen, darüber dann verknotet und gehalten ein roter Tische auf ihm eine Computertastatur gelegt, auch in Rot.

In „Intervention I“ (2003) kommt Farbe auf und gibt den Säulen der alten Fabrikhalle Vitalität und Frische von Heute und nimmt ihr das Unheimlich-Zerstört-Chaotische. Der rote Stoff auf der Leine des Balkons erinnert an Orientalische bzw., marokkanische Wollfärbungen und Trocknung. „ Es ist Teil der Installation „ A Place like Paradise“ für ihn, denn selbst das Leitungswasser im Raum liefert rotes Wasser.

Norbert Francis ist ein Künstler der Gruppe Start. Auch Pierre Portelli, der Künstler mit dem bewachsten Sessel und den vielen Bedeutungen gehört zu den elf Maltesischen Künstlern, die Furore machen. Wie kam es zur Vereinigung und wer sind die Künstler und was machen sie?
Wie und warum startete Start? Ihre Ausstellungsorte sind „Stadträume (cityspaces) 2002″, Grenzgebiete (borders), so auch die Titel der aktuellen letzten Ausstellungen. Cityspaces fand vorwiegend in einem alten Gebäude in der Old mint Street in Valetta statt. Gründe waren die Unzufriedenheit mit der Situation der Künstler auf Malta und der Möglichkeit dass die Situation geändert werden könnte. Unzufriedenheit paarte sich mit den ersten Strahlen der Hoffnung ( the first rays of hope). Die Kräfte wurden gebündelt und innerhalb kurzer Zeit begann START. Der Name beinhaltet ein neues Beginnen, eine Reise mit der Sensibilität für Lücken für Unvollständigkeit und bereit für erregende und unvorhersehbarer Entwicklungen. Starts steht für zeitgenössische Kunst in Malta, für alternative Ausstellungsorte, neue Formen der Kunst, die sich in einer Gruppe aus Künstlern und andern Gruppen zusammenarbeitet, Austausch, Weiterbildung und einer Residence für internationale Künstler auf Malta.Man Pflegt nicht die Homogenität in der Aussage , sondern die Verschiedenheit. Die Ausstellung Borders stand unter dem Arbeitstitel „und endlich, brecht aus dem Mahagony Raumen aus? ( And finaly , breaking out of mahgony frames“.)

1) Pierre Porelli,“Fühle dich frei, um Kundenfürsorge zu empfinden“ feel free to contact customer care))“: eine nackte männliche Figur schiebt einen leeren Einkauswagen vor sich her, dies hinter gestreiften Glasscheibe, dies durchsichtig und milchig.Es sind drei Videos zu beobachten.links und recht jeweils das Bild eines Sterbenden, auf der einen Seite friedlich familiär und himmlische, rechts ziehen zwei Teufel mit ihm ab ins Höllenfeuer, die Engel verflüchtigen sich. In der Mitte läuft der blosse Käufer mit dem Einkaufswagen hinter der Glasscheibe, aber das ist nicht nur sein Bereich, er läuft auch jeweils über und in die Sterbeszene hinein und wieder heraus.Was will er sagen: das Dilemma der Wahl ist immer present.

2) Der rotbevorzugende Attard mit der Arbeit „Salinas Klagen“. Es geht um ein Gedicht , dass den Tod in Hebron, in Addis Addeba, in Grosni, in Brookly Hills anklagt , die tiefen Wunden zeigt die tiefe Nacht und die tiefe Erinnerung. Mario Azzopardi liest das Gedicht, es ist in den Räumen aus spiegelnden, kräuselnden Wassern und kaputten Verließen Innen und Außen zu hören. Zerbrochene Bilder aus Licht und Untiefen.

3) Mark Mangions Arbeit mit unaussprechlichem Titel In einem Wort geschrieben: „BloddleboysBoysofbremen“. Die Zeichen sind eindeutig. „Blutige Burschen“ beginnt der Titel usw. Eine Gruppe von starken und perversen jungen Männern: Angst, Aggressivität, extreme Natur, körperlich und mental Top im Angriff, gefährlich beschränkt.“Scharfe Hunde“, die nicht gereizt werden dürfen. Eine Videoarbeit.

4) Ruth Bianco“ Wall of Prayer“ ( Gebetswand?).Verließ-Höhlenatmosphäre. Gespenstsch helles Licht. Eine Bodenarbeit.Auf die Frage warum sie die Arbeit auf den Boden gelegt hat und Wand betitelt, antwortet sie „ Mauern und Wände können fallen!“ Sie bildet Schutzgebiete aus rot/weißem Absperrband, oder sucht Metaphern für einen improvisierte Erinnerungsarbeit, so gelegt, dass sie das verlorene oder fehlende Areal von Ground Zero in New York erreicht.

5) Vince Briffa bietet Alternativen an. Innen / Außen usw. Die alternative Reise ist alternative vom Blickwinkel des Reisenden im Zug, der Blick nach Draußen ist im wechselnden Bild konstant. Die vielen kleinen Bilder des Films haben den Ausschnitt des Fensters : Himmel, Wolken, Bäume, eben die vorbeiziehende Landschaft festgehalten. Ob der Reisende liest, schläft, häkelt oder hinausblickt. Zeit und Raum ein Thema nach a u ß e n, aber nach I n n e n ist alles alternativ ,oder besser mit Einstein relativ.

6) Keine Schlafenden im Hygäum , sondern 12 Papiermache-Figuren in Plastik eingehüllt mit Filmrollen als moderne Heiligenscheine im Kellerverließ im Scheinwerferlicht. „ Genesung von einer unterbrochenen Scherzfrage“ der Titel. Der Künstler ist Austin Camilleri.

7) Bei Savio Deguara fehlen Bild und Mahagonyrahmen. Aus Seil und Plastikfolie schwebt sein Rahmen über dem Boden und spiegelt sich darauf. Rechts „ It´s better to walk than to stay still.“Besser laufen als stillstehen.“ Ein Seil könnte und kann doch wieder nicht Sperrmüll transportieren. Sisiphos, der gar nicht erst den Stein bewegt.

8) Das ist nicht der Stein der Buße des Hieronymus: Patrick Fenech versucht „Stufen zu einer ökologie der Meinungen „ in Gang zu setzten. Ausgangsgegenstand ist ein „pebble“ ein Kieselstein, an einem felsigen Strand in Gozzo gefunden.Durch die Natur: Wellen, Wind , Wärme Regen, Kälte hat er eine komplexe amorphe Gestalt angenommen. Licht und Schatten spielen über Videos mit der Vielfalt der möglichkeit der Formen. Gefangen im Film und gefangen in einem Käfig mit Ausblick. Der Stein durchläuft eine apokalyptischen Reise von unendliche Veränderungen durch Aufnahme und Lichteffekte, aber er behält seine Form. Er wird gerettet, d.h. erhalten. Dazu hört der Besucher Musik der Aboriginals. Der Stein hat die künstliche Weichheit einer Arp-Plastik.

9) Eine Höhle voller Magie des Unheimlichen: Charles Gatt liefert das volle Chaos nach dem Unwetter, der Sintflut. Das was übrigbleiben könnte, wenn s´gut geht. Der entwurzelte Baumstamm über Fallgrube. Die hängenden Steine über der Steinwüste. Das ist Kunst von heute und ausstellungswürgig. Gatt der Grenzgänger. Ein „border „der Gruppe Start.

10) Künstler von START am Start: Raphael Vella: Ein Studientisch ( study table): Holztisch, weiße und schwarze Bücher, graue Masse, Draht. Bibliotheks Möbel:der Leseplatz als Insel institutionalisierter Isolation. Kommunikation zwischen einem einzelnen Leser und einem Buch. Entscheidend ist die graue Masse. Vella hat auf eine endlose Säule hunderte von Malta-EU Artikeln geklebt. Die Säule besteht aus geschredderte Zeitungen, die zum Papiermachee der Säule wurden. Bücher, in der Arbeit hier und Zeitungen in einer anderen Arbeit werden ihres Inhalts, ihrer Aufgabe, ihrer Lesbarkeit enthoben.An diese Stelle stritt die Form, die Struktur , die auf künstlerische Art berichtet. Ähnlich den Zeugnisse aus dem Neolitihikum. Die Schrift ist weg , aber die Zeichen, Architekturen, Skulpturen und archäologischen Spuren teilen mit, verkünden. Ein Raum der Erinnerung ,ohne lesbare Spuren.

11) Anton Grechs Installation lädt zu einer Reise um die Welt mit Philipps Transworld Portable , einem designverliebten und funktionierendem Transistorradio. Die Schrift „ Philipps logo“ in Mintfarbe,und darüber das D- der Halle könnten auch für Deutschland stehen. Er stellt die Arbeit in einen seitlichen Rundbogen mit aufgespitzter Wandkrönung, dazu gehört ein großes Bild ( etwa 300 x 600cm) in Temperapigment auf Leinwand gemalt. In leuchtend hellen Gelbtönen und vitalisierendem Rot, an die Farbgebung Toulouse-Lutrec erinnernd. Grech schickt den Besucher auf die Reise. Trip heißt die Arbeit. Jeder kann sich seine eigene Übersetzung machen, Abdriften oder Abreisen.
Grech ist Maler. Er hat unter anderem bei Graupner in Deutschland studiert,-so sehen seine Bilder aus, dies heißt „red“ ( rot) eine Farbe die uns bei Malta nicht verlässt.- Eer war auch in Berlin(Kulturjahr der zehn) dabei, wo ich ihn kennengelernt habe und ihm für viel Material und Hinweise dankbar bin).Übrigens: an der Kunstakademie in Düsseldorf hat er auch gelehrt von 1992-2000, (( ist mit einer Deutschen verheiratet)), jetzt hält er Vorlesungen an der Universität in Malta und ist eines der 11 Mitglieder der Künstlergruppe Start.
In der Ausstellung „Cityspace“ zeigt er auch eine Installation wie „Asinus Domesticus“. „Sehen und hören“ erinnert sei an die eingangs gezeigte „Vedette“ , dem Wachturm mit Augen und Ohren. Hier nun eine Verbindung auch zu Goya Malerei und seinen Capriccios. Grech mag die makabre Ironie von Goya. Aber hier dreht er die Ohren des Esels nach Innen, Dieser Esel will nicht hören. Es wäre auch ein gekonntes Requisit für Zettel in Shakespeare“ Sommernachtstraum“, wo er vom Elfengeist Puck narkotisiert, sich mit Eselskopf Titania nähert.

Elf interessante Künstler aus Malta, die den Strom, die Spannung, den Widerstand registrieren. Jeder dieser Kilowattstundenzähler trägt den Namen eines der 11 Künstler. Vergrößert rechts: Norbert Francis Attard .. Vince Briffa……

Natürlich gibt es auch das Meer, den Strand, das Baden, den Stadtbummel, die Feste des Glauben, Boote als Gegenstand Kunst zu machen, Bilder zu malen…
-Beispiele für Boote hier noch einmal Attard, der rote Stoffverknüpfer, mit wunderbaren Arbeiten in Holz. Das exakte Ineinandergreifen der Holzscharniere z.b.
-Boot mit Naturinhalt und Boot mit weißer Farbe gefüllt, das rosa Boot im rosa Flur, aus der Ferne leuchtend:,ein offener Mund der Kantanten singt.Austin Camilleri Interesse gilt relgiösen Symbolen, dies oft mit Sexsymbolen kombiniert. (die eingpackten Papmacheefiguren mit Heiligenschein aus Filmspulen stammte von ihm).

Auch tatsächlich Boot, ein Foto aus der Wirklichkeit: Eindruck aus dem Alltag des Hafens, die kräftig und klar angemalten und dadurch geschützen Schiffe im Wasser. Inspiration von Farbeindrücken für Maler Trevor Borgs Malerei, die in klaren Farben- ein Gelb, ein Rot, ein Blau, ein Grün und Variationen- und Geometrien-schwungvoll und Eckig- arbeitet und mit Draht zeichnerische Effekte hineinbringt. Deshalb ist Mixed Media seine Methode. So sieht er aus (links vor Kalksteinwand.) Er ist 1976 auf Malta geboren und seine Bilder waren kürzlich in der Ausstellung „The new ten“ in Duisburg, Wien usw. wo die Ausstellung hintourte.

Dabei war auch James Vella Clark ( 1975 in Malta geboren) rechts im Fotoporträt. Seine Malerei ist verbindlich, dem Kanon der Moderne verpflichtet, vielleicht fällt einem Klee ein ,aber sie ist auch aus ortgebundenen Impulsen aufgebaut. Wenn dann noch durch goldene Lichteffekte aufgeglänzt wird, ist es auch für die farbige Erinnerung einer gelungenen Urlaubsreise nach Malta willkommen.Diese malerische Argumentation ist von konkreten einmaligen Situationen determiniert und gleichzeitig global , international ,ohne Grenzen und Beschränkungen.

Mehr „all is pretty“ als „Punk von heute“. Auch wenn die rote Farbe alle Variationen zum Einsatz bringt. Prozession,Jesus auferstanden, im Umzug durch die Stadt zu Ostern. Realität und gemalte fast fimlische Relität, intim oder voyeristisch, da die Familie Valletta dabei ist und uns auch dabei sein lässt. Der Heilige Sebastian an der Haussäule mit Pfeilen durchsticht- als Modell oder als modell (je nach Betonung), etwas nackt , nicht so sehr Akt. Aber mit Blick ins wohnliche Ambient und auf die maltesische Küstenlandschaft nach Draußen. Links , das fertige Bild . vielleicht im Mahagonie Rahmen ,nicht nackt, bedeckt mit Fächer und danach mit Kopf. Ein lichte , ironische, flotte Darstellung des Märtyriums im Salon. Tabona lässt den Besucher ein und teilnehmen.

Madonnendarstellung an der Hausecke in Valetta. Magna Mater aus der neolitischen Hochkultur Maltas als Torso voller Kraft und ihre Räume zum Allerheiligsten, von wo aus die zukünftigen Prophezeihung aus seherischem Schlaf kommen.

Schluss:

Kein Engel, der aufsteigt und in die gleitende Horizontallinie abdriftet, weder aufsteigt noch stürzt.Das ist offen. Die Arbeit von Patrick Fenech geb. 1957. Titel: das Martyrium eines Ex-Modells, geht auf ein Foto aus der Presse zurück, eien halbbekleidet liegt auf dem Boden.. Das Modell ist sehr attraktiv, aber sie ist tot.
Oder ermordet. Wer tötet sie? Das rote Klebeband weist auf den üblichen Kreidestrich der die Lage eines Toten markiert, hier wird er rot umrahmt, kein Mahagoni Rahmen.Das Foto wird schlicht mit glänzender Folie umrahmt. Der Glanz des alltäglichen Material, gibt ein künstliches überirdischen Strahlen, und macht aus dem ermordeten Modell eine Märtyrerin. Textzitat aus dem Katalog:Sex und Religion machen excellente Bedfellows (Bettgenossen) in der Kunst.
Caravaggio holt uns ein, er ist aktuell über diese Arbeit eines maltesischen Künstler, der sich in großer Tradition weiß und mit heutigen Mittel Neues schafft.
„Europa beginnt viele neue Dialoge und lässt vollkommen neue Kontexte entstehen, wobei die künstlerische Sensibilität einen neuen Blick über Reserven und Möglichkeiten der eigenen Kunst bietet. „ In einer Welt, in der einerseits Grenzen fallen und Nationen zusammenrücken, andererseits aber auch die Gräben tiefer werden und Kulturen aufeinanderprallen, sind Dialoge und Austausch wichtige Instrumente der Annäherung“, schreibt Kornelia Klemmer, Kulturkuratorin der maltesischen Botschaft in Berlin. Erweiterung ist jedoch mehr als Dialog. Erweiterte Kunst aus Malta? Was ist das Besondere und das Mehr? Malta möchte nicht nur den Dialog zwischen Malteser und den anderen Völkern fördern, sondern auch einen Vermittlerrolle einnehmen. Die Insel inmitten des Mittelmeeres ist durch ihre geographische Lage ,ihre vielfältige Geschichte und die Fähigkeit verschiedenen kulturelle Einflüsse zu integrieren, geradezu Prädestiniert, ein Zentrum verschiedener Kulturen und Künste zu sein.
Ich hoffe , dass die Vielfalt und Qualität der Bilder aus Malta, auch als Diavortrag; Sie neugierig gemacht hat auf die erweiterte Kunst Europas, ob nun Magna mater, Caravaggio oder die vorgestellten Künstler von heute betreffend.

Diesen Vortrag über die Kunst Maltas widme ich heute am 8. März dem internationalen Frauentag.

Vielen Dank fürs Zuhören und Zusehen!

Roswitha Siewert