Bilder
Zur Ausstellung im Künstlerzentrum in Lübeck 1995
Menschen/Figuren von 1986 bis 1994
Landschaften/Stadtlandschaften von 1987 bis 1993
Text zum Katalog von Roswitha Siewert
BILDER
Die Zeit der Sehnsuchtsbilder ist vorbei, die Arbeit im Bild wandelte sich für Liliana Mauro-Kröger zur ästhetischen Widerstandsleistung in den Inhalten und Formen. Bilder nach Sarajewo und Mölln zu malen, werden zur unumgänglichen Hadeswanderung der Seele. Die Realitäten des heutigen Alltags fordern andere Bildfindungen. Die Ausschüttungen der Medienwelt sind an realistischen Bildern des Grauens nicht zu überbieten. Wie nun einen künstlerischen Ausweg finden, ohne ihn nur als Fluchtweg zu nutzen, sondern einen aktiven Impuls für Hoffnung zu retten? Die Wahrnehmung muss sich zwangsläufig erweitern und verfeinern, um den schmalen Steg der Menschenspur zu halten.
Für Bedrohung, Gewalt, Krieg, Kampf zwischen Starken und Schwachen. Fragen auf Leben und Tod, Angst und Erschrecken, das pure Überleben müssen Bilder gefunden werden, die der stumpfen Schmerzempfindung entgegenwirken. Liliana Mauro-Kröger ist Malerin: Über die Malerei geschieht eine Abkehr von der Realität, aber gleichzeitig vermitteln ihre Arbeiten kein lähmendes Verdrängen, sondern einen kämpferischen und erbitterten Zugriff auf diese alltägliche Gegenwart. Sie besinnt sich auf Positionen der Kunst und reaktiviert sie aufs Heute. Die über Picasso bis zurück zu Gericaults „Floß der Medusa“ und Boschs Gesichtern der Höllenvisionen geformten und auftauchenden Bildwelten blicken in Gesichtern erneut und gegenwärtig aus ihren Bildern.
Vereinzelte Gesichter fliehen an der Bildfläche vorbei, die zusammenhaltenden Kräfte der Farben und ihre Auftragungstechnik geben den Vorüberziehenden einen momentanen Halt („Krieg“, 1994). Das Bildgefüge aus Figuren, ob zur Gruppe, zur Dreierkonstellation gebündelt oder zur Isolation getrieben, dazu der Tod als Hintergrundfigur, wird vor einem horizontalen Aufbäumen der dunklen Farben zum bedrohten Überlebenskampf im Meer (Überlebende I und II. 1994): Die Grenzsituation zwischen Leben und Tod der Schiffbrüchigen wird nicht durch das sinkende Schiff Darstellungsgegenstand, sondern die existentielle Not der überlebenden in den aufgebrachten Naturgewalten zeigt sich.
Die Aussage kann aber auch über symbolhafte Metaphern geschehen. Der Kampf zwischen „Raubvogel und Taube“ (1994) gibt im gewalttätigen, kraft schöpfenden Flügelschlag des Raubvogels, in seinen zupackenden Krallen und mit dem zuhackenden Schnabel der ohnmächtigen – wie ein heller Schatten wirkenden – Taube keine Überlebenschance. Das Taubenopfer ist oder stellt sich bereits tot. Der Angriff der Schwarzgefiederten gegen das „nestjunge“ Gelbe hat trotz der körperhaft aufgetragenen Farbe nur Schreie als Abwehr („Die Schwäche und die Stärke“, 1993). Selbst ein in Flamingo-Rot gehaltener Vogel bleibt „Bedrohung“ (1993). Immer wieder sind es landende Todesvögel oder die gestürzte oder blutende Friedenstaube, die Zeichen für die Ausweglosigkeit von Macht und Ohnmacht werden. Selbst ein „Friedensgespräch“ (1994) unter Menschen entlässt die Taube mit Blutspur im versuchten Aufflug allein. Das Triptychon assoziiert die christliche Bildmetapher Deesis: Maria und Johannes klagend unter dem Kreuz. Gleichzeitig irritiert die Sachlichkeit der Farbgebungen, kombiniert mit der Schockwirkung des Gesamten.
Bleibt die Darstellung der menschlichen Beziehungen: Nicht einsam, sondern solo bezeichnet Liliana Mauro-Kröger zwei Figuren, die nachdenklich ihr Gesicht verstecken. Ob Spieler oder Zuhörer, jeder setzt sein „Solo“ (1986) in die Welt. Die Welt des Vergnügens aus Tanz und Musik hat in „Caribe“ (1986) seinen separaten Raum im Bild. Beim Zu zweit wird aus dem Einsam ein „zweisam“ (1986 und 1993) das von der Isolation des „Einzelnen“, (1986) zum „Gemeinsamen“ (1993) führt. Der angepasste Mensch wird an Marionettenfäden hängend in einen Karton gepresst und deformiert (1994). Träume sind Alpträume aus Schiffbruch, Gefängnis und Blut. Gezwängt in die Ecke, ein menschliches Schattenkürzel (1992). Zu musealen Traumgestalten wird die beflügelnde Eingebung der Pianistin (1994). Gegenständlich im Umriss ist der Konzertflügel, der Stuhl und die Pianistin, das Ambiente bleibt im differenzierten Farbrausch von Tönungen in den Farben blau und rot.
Ein Meer in hellem Blau umgibt ein Paar, das „zweisam“ (1993) versucht zu überleben. In „Gewalt“ (1986) ist die körperliche Gewalt zwischen einem Starken und Schwachen ausweglos brutalisiert. Die Bildwelt von Überleben I und II (1994) erfährt hier Selbstbehauptung im Miteinander des Zweisamen (1993) und Rückfall der Zweierbeziehung in menschliche Gewalt (1986). Beides ist möglich.
Sind dann im Grunde nur die Landschaften Trost in Ausgrabungen des Vertrauten (Ausgrabungen I, II, III, 1989)? Stadtstrukturen aus geometrischen Häufungen stehen der organischen Vielfalt den orientalisch gekleideten Menschen gegenüber, „Tanger“ (1990). Ein Flugbild lässt die Welt von oben zeitlos um ein Zentrum kreisen. Oder ist das schön gemalte Bild aus fünf Teilen „Azul“ (1993) die unverbindliche Flucht über Malerei aus der schwer zu ertragenden Realität?
Bild: Ausgrabungen III, 1987, Öl/Mischtechnik auf Leinwand, 80 x 120 cm, Foto: Ursula Dannien
Liliana Mauro-Kröger macht es sich und uns nicht einfach. Der gedanklich-emotionale Schaffensprozess, in dem der eigene Erlebnishorizont zum allgemeinen Gradmesser wird und eine Aussage als künstlerische Bildform von heute sucht, ist so gnadenlos ohne Hoffnung dargestellt. Bleibt das Bild des Stierkampfes als Zeichen dafür, ohne Hoffnung in den Kampf zu gehen? Die Sequenz in vier Bildern zeigt die Kontinuität des Kampfes; das Wissen um ein Überleben ohne Hoffnung heißt somit das Leben.
Dr. Roswitha Siewert, Kunsthistorikerin